Die schulische Berufsorientierung (BO) hat in den letzten Jahren eine enorme Beachtung und Aufwertung erfahren. Das liegt zum einen daran, dass viele Unternehmen dringend Auszubildende suchen. Zum anderen geht es darum, junge Leute in Ausbildung und Beruf zu bringen, um für sie eine sinnstiftende Arbeit zu finden.
Für ein passgenaues Übergangsmanagement von Schule in den Beruf engagieren sich seit vielen Jahren verschiedene Akteure. Dazu dient in Mannheim als funktionierende und eingespielte Basis das „Arbeiten im Trio“. Dieses „Trio“ setzt sich aus der engen Kooperation …
der Stadt Mannheim und deren Ausbildungslotsinnen- und -lotsen
des Staatlichem Schulamt Mannheim und den schulischen BO-Lehrkräften sowie
der Bundesagentur für Arbeit und deren Berufsberaterinnen und -beratern zusammen.
Dieses „Trio“ haben wir jetzt zu einem „Quartett“, dem „Mannheimer Quartett“ erweitert:
Was war dafür zu tun? Es ging zunächst darum, bisherige Wege der Berufsorientierung auszubauen und Neues zu ermöglichen: Die Unternehmensgruppe DIRINGER & SCHEIDEL (im Folgenden: D&S) liegt gerade einmal den sprichwörtlichen „Steinwurf“ von unserer Schule entfernt. Was lag da näher als eine Kooperation mit D&S ins Auge zu fassen?
Außerdem bietet D&S unseren Schülerinnen und Schülern eine ganze Palette interessanter und moderner Ausbildungsberufe. Und das nicht nur im Bereich Bauunternehmung, sondern auch im Bereich Hotellerie (ARIVA), im Bereich Service-Wohnen und Pflegen (avendi) und vielem anderen. Damit ist D&S - nicht nur für junge Leute - ein Unternehmen mit ganz vielen beruflichen Perspektiven.
Folgerichtig haben wir am 29.11.2019 als Arbeitsgrundlage für alles Weitere einen Kooperationsvertrag zwischen der Wilhelm-Wundt-Realschule und D&S geschlossen.
Nach Verzögerungen durch die Corona-Epidemie und intensiver „Quartett“-Planungsarbeit der beteiligten D&S-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, der Berufsberaterin der Bundesagentur für Arbeit, dem Ausbildungslotsen der Stadt Mannheim und unserer BO-Lehrkräfte haben die Wilhelm-Wundt-Realschule und D&S seit dem Schuljahr 2023/2024 ein innovatives Kooperationsmodell etabliert. Dieses Kooperationsmodell setzt als sogenanntes „Ausbildungspatenschaftsprogramm“ ganz neue Maßstäbe der Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft.
Ziel dieses „Ausbildungspatenschaftsprogramm ist es, ca. 25 Schülerinnen und Schülern der Vorabschlussklassen während eines ganzen Schuljahres eine praxisnahe Berufsorientierung zu ermöglichen und ihnen einen realistischen Einblick in ganz unterschiedliche Berufsfelder zu ermöglichen - fernab von klassischen Messebesuchen, bloßen Unternehmensbesichtigungen oder rein digitalen Formaten.
Das seit dem Schuljahr 2023/2024 neu geschaffene „Ausbildungspatenschaftsprogramm“ mit D&S hat es in sich:
1. Alle Schülerinnen und Schüler der Vorabschlussklassen nehmen an einer Bustour teil, die sie durch alle D&S-Unternehmensbereiche führt. Sie melden noch am selben Tag schriftlich zurück, ob einer der von D&S angebotenen Ausbildungsberufen für sie in Frage kommt. Ihre Eltern werden auf einem Elternabend über die Angebote informiert. Danach bewerben sich die interessierten Schülerinnen und Schüler schriftlich bei D&S für das Ausbildungspatenschaftsprogramm.
2. Die von D&S ausgewählten Schülerinnen und Schüler erhalten von D&S-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern ein spezielles Bewerbungstraining mit Bewerbungsschreiben, Lebenslauf und Bewerbungsfoto. Die Teilnehmer erhalten außerdem wichtige Informationen über die Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen, sie nehmen an einem Probe-Vorstellungsgespräch teil und sie erhalten Einblicke in den Berufsschulunterricht vor Ort. Schließlich bekommen sie Informationen über die DIRINGER & SCHEIDEL Unternehmensgruppe als vielseitigem Ausbildungsunternehmen und als Arbeitgeberin mit über 100-jähriger Tradition.
3. Während des ganzen Schuljahres besuchen unsere Schülerinnen und Schüler zur Arbeitsplatzerkundung mehrmals ihre D&S-Ausbildungspatin bzw. ihren D&S-Ausbildungspaten. Diese D&S-Patinnen und -Paten sind Azubis und deswegen selbst nur wenig älter als unsere Schülerinnen und Schüler. Damit können sich unsere Schülerinnen und Schüler sehr niederschwellig und direkt vor Ort einen Eindruck vom Berufsalltag und von den Ausbildungsberufen machen, die sie interessieren.
4. Schließlich absolviert jeder der Beteiligten bei D&S auch noch sein einwöchiges BO-Pflicht-Praktikum, das in unserer Schule regelmäßig vor den Faschingsferien stattfindet.
Insgesamt zeigt das Kooperationsmodell recht eindrucksvoll, wie die Schule, die Bundesagentur für Arbeit, die Stadt Mannheim und - als vierter Baustein unseres Mannheimer Quartetts - die Wirtschaft Verantwortung für die berufliche Zukunft junger Menschen übernehmen können. Es ist ein Beispiel dafür, wie praxisnahe Bildung, individuelle Förderung und nachhaltige Nachwuchssicherung Hand in Hand gehen. Das Ausbildungspatenschaftsprogramm der Wilhelm-Wundt-Realschule und der DIRINGER & SCHEIDEL Unternehmensgruppe steht somit für ein tragfähiges Modell mit Vorbildcharakter und besten Zukunftsaussichten. Es kann als Best-Practice-Beispiel regionaler Schul‑Wirtschafts‑Partnerschaft gelten - mit einem erheblichen Mehrwert für Schüler, Schule, Unternehmen und Gesellschaft.
„Die Ausbildungspatenschaft hat mir den Weg geebnet“ – Ein Schüler berichtet
Im Rahmen der Ausbildungspatenschaft mit der Firma Diringer & Scheidel konnte der Schüler der Jahrgangsstufe 9, Raul Balagh, wertvolle Erfahrungen sammeln – und den direkten Einstieg in die Berufsausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik schaffen.
Wie alles begann
Raul: „Ich wusste schon früh, dass ich eine Ausbildung machen möchte – am liebsten in einem großen Unternehmen. Dort wird man als Azubi oft besser betreut.“
Als das BO-Team der Schule und die Mitarbeiter von Diringer&Scheidel in der achten Klasse das Projekt vorstellten, war für ihn schnell klar: „Da möchte ich mitmachen.“
Praktische Erfahrungen sammeln
Im Verlauf der Patenschaft nahm er an mehreren Praxistagen teil: „Wir waren viel auf Baustellen unterwegs. Ich durfte Kabel verlegen, verlängerte Leitungen bauen und wurde von einem Azubi aus dem dritten Lehrjahr begleitet, der mir alles erklärt hat.“ Besonders in Erinnerung blieb ihm: „Auch wenn ich nicht alles selbst machen durfte, konnte ich viel lernen. Ich hatte das Gefühl, ernst genommen zu werden.“
Bestätigung des Berufswunschs
Vor der Patenschaft war er sich nur zu etwa 50 % sicher, dass der Elektroniker-Beruf das Richtige für ihn ist.
Raul: „Nach dem Projekt war ich mir sicher: Das will ich machen! Besonders gefallen hat mir die Kombination aus Mathematik, handwerklicher Arbeit und der Möglichkeit, später beruflich weiterzukommen. Ich möchte meinen Meister machen – vielleicht sogar später eine eigene Firma gründen.“
Ohne Vorstellungsgespräch zur Zusage
Durch sein Engagement erhielt er nach dem Projekt eine Ausbildungszusage – ganz ohne klassisches Vorstellungsgespräch. „Die Praktikumszeit hat quasi das Bewerbungsgespräch ersetzt. Die Firma kannte mich ja schon.“
Ein Rat an andere Schüler
„Nutzt die Chance! Seid interessiert, stellt Fragen und zeigt Einsatz – auch wenn ihr nicht alles machen könnt. Die Ausbildungspartnerschaft kann euch Türen öffnen, auch mit Hauptschulabschluss.“
Was bleibt?
„Das Projekt war für mich entscheidend. Es hat mir gezeigt, was ich beruflich machen will – und mir die Möglichkeit gegeben, direkt nach der Schule durchzustarten.“